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Eindrücklicher Bericht über die Cholera Epidemie

– Rolf Maibach

Liebe Alle!

Präsentierte sich im September das Albert Schweitzer Spital für einen Haiti-Neuling wie mich schon als chronisch überfüllt und auch etwas chaotisch, so ist es jetzt seit dem Ausbruch der Cholera-Epidemie auch für die Haitianer etwas zuviel. Wir sind zwar nicht so stark betroffen wie die Spitäler etwas weiter nördlich, aber da wir auch noch als Referenzspital für die ganze Region dienen und die Spitäler und Gesundheitszentern wegen der Cholera andere Patienten nur noch bedingt aufnehmen und behandeln können, hat auch der Anteil der Nicht-Cholera-Patienten in unserem Spital deutlich zugenommen, die Zimmer sind überfüllt und die Patientenbetten reihen sich in den Gängen. Die Cholera-Patienten haben wir von den anderen so gut es eben geht abgetrennt, die Kinder in einem Nebengebäude, wo sonst mangelernährte Kinder nach der Akutphase wieder aufgepäppelt werden - diese bleiben nun einfach länger im "normalen" Spital, bis sie nach Hause gelassen werden können, die Erwachsenen im Innenhof des Spitals. Damit die Nicht-Cholera-Patienten, welche für ambulante Konsultationen ins Spital kommen, nicht durch diesen Innenhof vom Eingang zum Hauptgebäude gehen müssen, werden die Sprechstunden nun draussen vor dem Spital in einem Zelt abgehalten.

Letzte Woche haben wir schon auf Besserung gehofft, da die Anzahl der neuen Patienten etwas abnahm, doch seit dem Wochenende hat sich dieser Trend leider nciht bestätigt, im Gegenteil. Es kommen wieder mehr Patienten und vor allem in einem schlechteren Zustand. Vor allem die kleinen Kinder sind sehr anfällig für raschen und starken Flüssigkeitsverlust durch die massiven Durchfälle (wie Wasser) und Erbrechen. Bei den älteren Patienten kommt es relativ oft zu Komplikationen, weil durch den Flüssigkeitsverlust die Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden und nicht mehr gut funktionieren, auch der Salzhaushalt kommt völlig durcheinander. Zum Glück haben wir genügend Infusionen und auch Pulver für die spezielle Trinkmischung, die den Mineralsalz- und Flüssigkeitsverlust wieder ausgleichen soll - was die wichtigste Massnahme bei Cholera ist.

Zu Beginn der Epidemie erkrankten fast nur Männer an Cholera, die in den Reisfeldern im Tal arbeiteten - was als Ansteckungsquelle das Wasser aus dem Fluss natürlich sehr wahrscheinlich macht. Später kamen aber dann auch Frauen und Kinder dazu, entweder angesteckt durch die Pflege der Männer oder durch kontaminierte Nahrungsmittel, insbesondere Gemüse. Unsere "Agents de santé", welche in den Dörfern arbeiten, haben gleich zu Beginn eine Grosskampagne gestartet, um die Bevölkerung über die Krankheit aufzuklären und auch Präventionsmassnahmen aufzuzeigen. Dabei gilt es insbesondere rigorose Hygienemassnahmen einzuhalten und nur sauberes Wasser zu trinken. Auch im Spital achten wir sehr darauf, dass die Angehörigen bei der Pflege der Kranken Handschuhe tragen und immer die Hände mit Seife waschen etc. Leider kam es aber doch zu ein paar Ansteckungen Betreuern von Kranken im Spital ( vor allem von Kindern auf Mütter). Vom Personal ist zum Glück noch niemand erkrankt und wir hoffen, dass es so bleibt. 

Die ersten Tage waren sehr anstrengend für alle, da wir neben der Betreuung der Patienten auch das Spital umorganisieren und umfunktionieren mussten, was die Tage sehr lang und die Nächte sehr kurz machen liess - und niemand kam bis jetzt wirklich dazu, dies wieder auszugleichen. Immerhin haben wir inzwischen Unterstützung von anderen Hilfsorganisationen bekommen, die uns haitianische und auch amerikanische Krankenschwestern schickten, so dass die Arbeitslast nun etwas verteilt werden konnte. Leider bleiben sie nur noch für eine Woche, so dass wir danach wieder selbst zu recht kommen müssen. On verra... Ich bin aber sehr stolz auf unser Personal, das immer tatkräftig mitgeholfen hat und auch trotz Ueberstunden und Schlafmangel bei relativ guter Laune blieb. 

Aktuell sind wir in Alarmbereitschaft wegen dem Zyklon Tomas, der diese Nacht oder morgen auf Haiti treffen soll. Sollte er tatsächlich mit voller Wucht hier vorbeiziehen, sind schlimme Ueberschwemmungen zu befürchten, was natürlich der Cholera massiven Vormarsch gestaten würde. Ganz abgesehen von der kritischen Lage in den Zeltstätten der Hauptstadt, die in ein unglaubliches Schlammfeld verwandelt würden - und macht sich dort erst mal die Cholera breit, dann wäre es wirklich eine absolute Katastrophe. Hier regnet es schon, im Moment aber noch ohne Wind - doch wir hoffen immer noch, dass Tomas sich etwas abschwächt und so das Schlimmste verhindert werden kann. 

So weit die aktuelle Lage bei uns in Haiti. Ich hoffe, dass ich beim nächsten Bericht wieder über etwas Positivers berichten kann - auch wenn leider ein Ende dieser Cholera-Epidemie noch nicht in Sicht ist... 

Mit ganz lieben Grüssen

Silvia

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